Tell me what you see,
tell me what you feel.
Kurze Projektbeschreibung
Überwindung findet im Kopf statt. Dabei spielen die Sinne eine maßgebliche Rolle für die Wahrnehmung von Grenzen. Wie kann man Grenzen freilegen, in einer gemeinsamen Erfahrung diskutieren und es schaffen, seine eigene Perspektive zu verändern und Grenzen zu überwinden?
Wir werden auf dem Localize Festival 2022 eine performative Installation auf dem Gelände entwickeln, die sich mit einem Aspekt der Wahrnehmung auseinandersetzt: dem Sehen.
Besucher:innen des Festivals können zwei mal am Tag an dieser Performance teilnehmen. Sie treffen zu Beginn der Performance eine blinde Person und werden im gemeinsamen Dialog die Ausstellung besuchen. Besuchende werden zum Ausstellungsguide der blinden Person und werden durch den Versuch, die visuellen Eindrücke zu vermitteln, an ihre Grenzen stoßen und sich zu einem Perspektivwechsel überwinden. Jedes Team hat ein Audio-Aufnahmegerät dabei, mit dem das Gespräch aufgezeichnet werden kann.
Ausführliche Projektbeschreibung
Es wird eine kurze Einführung durch uns am Beginn der Performance geben und ein kleines Briefing für die Teilnehmenden bereit gestellt (Karte, Kurzinfo Festival, Infos Positionen und Anleitungen). Es werden zwei verschiedene Modi auf die beiden Personengruppen (1 sehende Ausstellungsbesucher:innen und 2 sehbehinderte Personen, die von uns direkt eingeladen wurden) zukommen:
SEE: Die Teams gehen in das Gelände und besuchen die Ausstellung, dabei unterstützt die sehende Besucher:in die sehbehinderte Person und wir stehen zur Unterstützung ebenfalls bereit.
Die sehende Person wird zum Ausstellungsguide und erklärt /erzählt der sehbehinderten Person die Kunst vor Ort und wie sie diese versteht. Was will die blinde Person wissen? Wie lässt sich nicht sichtbares erklären? Was sind Parameter zum Verstehen der Kunst ohne die Kunst sehen zu können? Über eine Versprachlichung der Gedanken und des Gesehenen findet eine tiefe Reflexion mit den Kunstwerken vor Ort und mit der eigenen Wahrnehmung statt.
FEEL: Beim gemeinsamen Besuch der Ausstellung treffen die beiden immer wieder auf weiße Flächen, an dem ein Moment der gemeinsamen Reflexion stattfindet:
Die blinde Person ist konfrontiert mit Kunstwerken, die nur sie als nicht sehende Person in vollem Umfang wahrnehmen kann. Für die blinde Person sind Gefühlsvisualisierungen vor Ort. Gesetzt mit braille, großschrift, relief und raster. Durch das Abtasten legt die blinde Person den Inhalt frei und erklärt es der sehenden Person. Auf den Visualisierungen finden sich gedankliche Anstöße zur weiteren Vertiefung des gemeinsamen Erlebnisses (Kunst, Blindheit, Wahrnehmung, Perspektiven, Alltagschallenges).
Im Idealfall überwinden wir die Grenzen zwischen diesen beiden Personen, es entsteht ein kleines Verständnis für die Grenzen des Anderen, oder nur ein Bewusstmachen des eigenen Privileges. Hierbei gibt es in der Interaktion der beiden Personengruppen mehrere Formen der Überwindung von Grenzen. Eine Grenze wird überwunden in dem Moment, in dem die Interaktion mit einem anderen Menschen statt findet, die im Normalfall nur sehr selten auftritt. Die Grenzen anderer Menschen werden sichtbar gemacht und überwunden durch die Beschreibung des Gesprächspartners:in und zu guter letzt wird die Grenze der Wahrnehmung eines einzelnen Menschen überwunden, denn es findet durch die Reflexion und Versprachlichung der Kunst vor Ort eine tiefere Auseinandersetzung statt, als ohne dieses Projekt.
Das Gespräch zwischen jeweils zwei Personen wird mit Hilfe eines Diktiergerätes (Smartphone) aufgenommen und später auf der Localize Seite bereit gestellt. Es entstehen mehrere verschiedene Audiodokumente, die die Ausstellung dokumentieren, von Sehbehinderten nachgenutzt werden können und verschiedene Interpretationen der Kunstpositionen aufzeichnen. Hierbei werden verschiedene Gesichtspunkte der Ausstellung und Interpretationsebenen aufgezeigt. Das Audiomaterial kann bei Bedarf durch Interpretationen und Stellungnahmen der Künstler:innen zu ihren Kunstwerken ergänzt werden.
Eine zusätzliche Ebene der Überwindung ist unsere eigene Perspektive:
Wir loten unsere Grenzen aus, in der Vorbereitung dieses Projektes müssen auch wir Grenzen überwinden. Unser Verständnis von und für Sehbehinderte muss erweitert werden und als in einer visuellen Welt sicher Agierende, ganz neue Herausforderungen überwinden.
Wir schärfen die eigenen Sinne und Arbeitsweisen, Materialverständnis und Wirkung der Kunst in einem nonvisuellen Umfeld.
Wir haben über unser Netzwerk Kontakt zu den Oberlin Lebenswelten Potsdam, die verschiedene Gruppen von Sehbehinderten betreuen und unterstützen. Wir möchten in Zusammenarbeit mit den Menschen dort unsere Konzeption überprüfen und verfeinern. Wir können dabei bereits die teilnehmenden Sehbehinderten briefen und Vorbereitung für die Umsetzung planen. Sollte wider Erwarten diese Zusammenarbeit nicht zustande kommen, haben wir auch über unser Netzwerk eine Kontaktmöglichkeit zum Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. in Berlin-Grunewald.
Weiteres Material
Skizzen
Die Visualisierungen sind abhängig von der Ausstellungsplanung und den Vorgesprächen mit den sehbehinderten Personen. Erst danach kann visuell konkret gearbeitet werden. Deshalb zeigen wir hier noch ein paar erste Rechercheergebnisse für mögliche Umsetzungen der Tast-Oberflächen. Geplant ist mit verschiedenen Techniken auf den Visualisierungen zu arbeiten. Relief, Braille-Schrift, Texturen...
Mögliche Platzierungen der Tast-Gestaltungen auf dem Gelände verteilt. Diese sind Teil des gemeinsamen Spazierganges und spiegeln die FEEL Komponente wider. In diesen Momenten wechselt der Erzählmechanismus und die sehbehinderte Person erklärt was sie erfühlt.
Visuelle Recherche für die Tast-Visualisierungen
Team
Martin Gnadt (* 1986) ist ein typo-grafischer Gestalter, der in Potsdam und Berlin lebt und arbeitet. Nach einem Kommunikationsdesignstudium folgte die Gründung des eigenen Grafikdesign-Studios. In 2011 war er bei Sagmeister Inc. in New York für ein viermonatiges Praktikum und
entwickelte Arbeiten für kulturelle Institutionen und internationale Klienten.
Seit 2013 unterrichtet er an der SRH University of Applied Sciences die Fächer Typografie, animierte Typografie sowie variable Identitäten und gibt Workshops. Seit 2022 unterricht er zudem an der FH Salzburg Typografie. Seine Erfahrungen aus diesen Lehrumgebungen führten zu Projekten wie dem international wahrgenommenen internal-affairs.org .
2018 zeigte er seine erste Soloausstellung unter dem Titel 10∗100=1000 im CLB Berlin. Seine Arbeiten wurden vom D&AD und dem International Graphic Design Festival Scotland ausgezeichnet, und auf Ausstellungen wie der Porto Design Biennale, der Golden Bee Biennale Moskau und Ficciones Typografikas in Minnesota gezeigt.
Er ist Gründungsmitglied des Hypergraphia e.V. und Mitorganisator des jährlichen Festivals.
Oliver Johannsen (* 1991) ist Kommunikationsdesigner, Fassadengestalter und Musiker. Nach einem abgeschlossenen Bauingenieurstudium folgten diverse Auslandsaufenthalte (Australien, NZ, Asien) und ein größerer Fokus auf Gestaltung. Seit mehreren Jahren ist er selbständig als Oberflächengestalter im Bereich Fassaden- und Wandgestaltung tätig.
2017 startete er sein Kommunikationsdesign Studium an der FH Potsdam. Seit Beginn des Studiums ist er selbständig auf dem Markt im Bereich Corporate Design, Grafikdesign und Animation tätig.
Er ist langjähriges Mitglied des Organisationsapparates der Nation of Gondwana und ist dort für die Gestaltung, Planung und den Aufbau der Bühne Bei Birke verantwortlich. Dabei entstanden Arbeiten im Bereich Projektion, Bühnengestaltung und Kulissenbau.
Er ist Gründungsmitglied des Hypergraphia e.V. und Mitorganisator des jährlichen Festivals.
Portfolio und Referenzen
Wir bringen Erfahrung aus der Organisation diverser Festivals (Urban Art, Musik, Design) mit und nutzen diese Expertise in der konzeptionellen Arbeit.
Ein Beispielprojekt für partizipative Projekte ist das Projekt Platz der Einheit, das Martin beim Localize 2020 mitorganisierte.